von Claudia Maceo Urrutia und Gerald Schuessl aus Havanna
Am 1. Jänner 2021 war es soweit, es war der Tag „Null“, oder der Tag an dem der Peso Convertible, kurz CUC genannt, für immer verschwunden ist. Viele Monate davor wurde informiert und berichtet, im Fernsehen, den Tageszeitungen und Internetportalen. Auf der Straße, im Familien- und Freundeskreis war es seit der Bekanntgabe, dass nun dieser Tag kommen werde, das beherrschende Thema, sogar die omnipräsente COVID-19 Thematik musste sich für einige Zeit hintenanstellen. Monatelang wurde diskutiert, mitunter auch gestritten, ob es nun gut oder schlecht sei den Peso Convertible aufzugeben. Ist nun der richtige Zeitpunkt oder wäre es besser noch zu warten, soll man sich die Umständlichkeit von zwei Währungen doch noch länger leisten? Die Unsicherheit wurde noch durch bewusst gestreute Falschmeldungen aus dem benachbarten Ausland geschürt. Lange Schlangen vor den Wechselstuben waren die Normalität, da viele Menschen diesen Rattenfängern auf den Leim gingen. In Wahrheit ist natürlich nichts von dem passiert, was da verschiedene ausländische Medien im Internet verkündet haben. Kein Kubaner hat sein Erspartes verloren, wie es oft zu lesen stand, die Spareinlagen wurden alle zum offiziellen Wechselkurs von der Bank konvertiert. Nebelgranaten zum Zweck den illegalen Geldwechsel zu stimulieren. Wenig überraschend sind es doch dieselben „Freunde“ Kubas, die hier fleißig kommunizieren und auch massig Zugang zu harten Fremdwährungen haben. Wer hier böses denkt, liegt ziemlich sicher richtig.
Aber kommen wir wieder zum eigentlichen Thema zurück, der Währungsreform, wie sie fälschlicherweise oft genannt wird. In Wirklichkeit ist es eine Reform, die weite Bereiche der Wirtschaft, der Arbeit und Versorgung, des täglichen Lebens, betrifft. Eine Reform, die ganz tief in das Leben der Menschen in Kuba eindringt. Unbestritten ist natürlich, dass das Thema Geld am meisten ins Auge sticht und wohl auch für den meisten Konfliktstoff sorgt, schon alleine deswegen, weil es die Kubaner über lange Jahre gewohnt waren, dass der Fahrschein für den Autobus oder Brot immer stabil dasselbe gekostet haben. Gerade die stark subventionierten alltäglichen Dinge wurden einer faireren oder besser, gerechteren Preisgestaltung zugeführt. Ist das Ziel der Reform doch auch die eine oder andere „de facto“ Gratisleistungen des kubanischen Staates nur mehr denjenigen Menschen zugutekommen zu lassen, die diese auch wirklich benötigen. All dem sei vorausgeschickt, dass die Löhne, für alle im staatlichen Gefüge beschäftigten Kubaner_innen, um ungefähr das fünffache erhöht wurden. Die Preise für viele subventionierten Dienstleistungen, hier vor allem im Bereich der Grundversorgung und Verwaltung, wurden im etwa gleichen Ausmaß erhöht. Als ganz gutes Beispiel kann die monatliche Stromrechnung herangezogen werden. Anders als zum Beispiel in Europa ist es in Kuba so, dass private Haushalte, die ihren Verbrauch in üblichen Grenzen halten, mit sehr niedrigen Kosten zu rechnen haben. In der Praxis heißt dies, dass die ersten 100 kWh sehr stark subventioniert werden, die nächsten 50 kWh etwas weniger und so weiter. Dieses System hat zwei wichtige Gesichtspunkte, einerseits den sorgsamen Umgang mit Ressourcen und die Unterstützung der kubanischen Familien in finanzieller Hinsicht. Um eine Einschätzung zu bekommen sei angemerkt, dass eine kubanische Familie mit monatlichen Stromkosten zwischen 100 und 150 Peso Cubano, umgerechnet zwischen 3 und 5 Euro, rechnen muss. Vor der Reform betrugen die Stromkosten zirka 30 bis 50 Peso Cubano, also ein Drittel der heutigen Kosten. Wie vorher schon angemerkt wurden die Löhne um das Fünffache erhöht. Ganz anders sieht diese Rechnung allerdings für Großverbraucher aus. Ungeachtet dessen, ob der Verbrauch aus dem sorglosen Umgang mit Energie resultiert oder ob es sich um private Unternehmen handelt. Für diese Personengruppe wurden die Stromkosten empfindlich erhöht, so dass hier bis zu umgerechnet 0,60 Euro pro kWh erhoben werden.
Jetzt wird sich der geneigte Leser fragen, wozu diese lange Erklärung zu den Stromkosten? Sie sind ein wirklich gutes Beispiel dafür, warum die Reform keine reine Währungsreform ist. Vielmehr geht es darum soziale Ungerechtigkeiten auszugleichen, eine faire wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und die Produktivität zu erhöhen. Menschen mit höherem Einkommen als der Durchschnitt, wie zum Beispiel Kubaner_innen, die auf eigene Rechnung (cuenta propia) arbeiten oder auch Menschen mit Einkommen aus dem Ausland, müssen sich nun in größerem Ausmaß als bisher an den entstehenden Kosten der Grundversorgung beteiligen. Denn all die Errungenschaften der Revolution, wie zum Beispiel Gesundheit und Bildung, sind für alle Kubaner_innen gratis, aber eben für Kuba nicht kostenlos. Der unermüdliche Kampf gegen die COVID-19-Pandemie, deren Auswirkungen auf Wirtschaft und Tourismus, sowie die im letzten Jahr verschärften kriminellen Sanktionen seitens der Vereinigten Staaten von Amerika tragen ihr Übriges dazu bei das die finanzielle Situation Kubas angespannt ist. All diese Faktoren spielen in den Überlegungen der vollzogenen Reform eine wichtige Rolle und machen sie auch ein Stück weit alternativlos.
Selbstverständlich gibt es auch Entwicklungen, die auf den ersten Blick nicht in das sozialistische Weltbild passen wollen. Als bestes Beispiel hierfür können die viel kritisierten neuen MLC-Geschäfte gelten. Es handelt sich dabei um Geschäfte die Waren ausschließlich in frei konvertierbaren Währungen (USD, Euro,…), anbieten, die Bezahlung hat ausnahmslos mittels kubanischer Bankkarte oder ausländischer Kreditkarte zu erfolgen. Von einer „Dollarisierung“ Kubas war da in internationalen Medien zu lesen, von Ungerechtigkeiten, da die breite Bevölkerung keinen Zugang zu Devisen habe und noch vieles mehr. Wie meistens spielen sich hier diejenigen zu „Schutzpatronen“ der Kubaner_innen auf, die keinen zweiten Gedanken daran verschwenden warum es verschiedener Maßnahmen bedarf und wer dafür verantwortlich ist, oder noch schlimmer diejenigen die sich genau diese Entwicklung sehnlichst herbeiwünschen. Doch keine Sorge, die Revolution verkauft sich nicht und noch viel weniger „verdollarisiert“ sie sich. Der Grund für diese Devisengeschäfte ist höchst profan, nämlich den Abfluss von Dollar und Euro aus Kuba in das Ausland zu limitieren und so dem Land die Mittel zu geben, um sich auch in Zeiten der weltweiten Krise zu finanzieren. Der nahezu zum Erliegen gekommene internationale Tourismus und noch viel mehr die immer schärfere Blockade der USA gegenüber Kuba erschweren den Zugang zu dringend benötigten Devisen. Alles Dinge, die immer allzu gerne unter den Teppich gekehrt werden. Aber Kuba wird nicht müde werden seinen Weg weiterzugehen, die Bösartigkeiten anzuprangern und dem Imperialismus die Stirn bieten. Als einziges Land in Lateinamerika hat es Kuba unter widrigsten Umständen zu Wege gebracht vier COVID-19-Impfstoffkandidaten zu entwickeln, zwei davon sind soeben in die dritte und letzte klinische Studienphase getreten und stehen kurz vor ihrer Zulassung. Ein mächtiges Signal, das zeigt, wozu die Revolution im Stande ist und auch an all jene die Tag für Tag versuchen Kuba zu diskreditieren.